Weniger Anschläge, aber tödlicher
Im Jahr 2023 ist die Zahl der Todesopfer durch Terrorismus weltweit um 22 Prozent auf 8.352 gestiegen – der höchste Stand seit 2017. Dieser Anstieg ist vor allem auf eine Zunahme gezielter und besonders tödlicher Angriffe in Konfliktregionen zurückzuführen. Trotz dieser Eskalation liegt die Zahl der Opfer noch immer 23 Prozent unter dem Höchstwert von 2015, was zeigt, dass der globale Terrorismus nicht das Niveau seiner intensivsten Jahre erreicht hat.
Parallel dazu sank die Zahl der Terroranschläge deutlich: 3.350 Angriffe wurden 2023 registriert, ein Rückgang um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Pakistan war dabei mit 490 Vorfällen das am stärksten betroffene Land. Die Entwicklung macht deutlich: Terrorismus wird seltener, aber tödlicher. So fiel auch die Zahl der Länder, in denen mindestens ein tödlicher Anschlag verzeichnet wurde, auf 41 – deutlich weniger als die 57 Länder im Jahr 2015 und 44 im Jahr 2022.
Der verheerendste Anschlag des Jahres ereignete sich am 7. Oktober in Israel, als von Hamas geführte Milizen rund 1.200 Menschen töteten. Es war der größte einzelne Terroranschlag seit dem 11. September 2001 und einer der folgenreichsten in der Geschichte, der eine umfassende israelische Militäroperation zur Folge hatte.
In Burkina Faso wurden fast 2.000 Menschen bei 258 Anschlägen getötet – das entspricht fast einem Viertel aller Terroropfer weltweit. Seit 2014 nehmen dort die Auswirkungen terroristischer Gewalt kontinuierlich zu, ebenso wie in den Nachbarstaaten Mali und Niger. 2023 stieg die Zahl der Todesopfer in Burkina Faso um 68 Prozent, obwohl die Zahl der Anschläge um 17 Prozent zurückging.
Positiv entwickelte sich die Lage in Afghanistan und im Irak. Im Irak starben 2023 erstmals seit Jahren weniger als 100 Menschen durch Terroranschläge, und das Land wird nicht mehr zu den zehn am stärksten betroffenen Staaten gezählt. Die Zahl der Terroropfer ist dort seit dem Höchststand 2007 um 99 Prozent und die Zahl der Anschläge um 90 Prozent gesunken. Auch in Afghanistan gingen die Todesfälle und Angriffe seit 2007 um 84 bzw. 75 Prozent zurück.
Insgesamt ist die Zahl der weltweit aktiven Terrorgruppen in den vergangenen 15 Jahren stark gesunken – von 141 im Jahr 2009 auf 66 im Jahr 2023. Gleichzeitig ist die Tödlichkeit der Anschläge gestiegen: Im Durchschnitt kamen 2023 2,5 Menschen pro Anschlag ums Leben, der höchste Wert seit 2015.
Die weltweit gefährlichsten Terrorgruppen waren 2023 der „Islamische Staat“ (IS) und seine regionalen Ableger, gefolgt von Jamaat Nusrat Al-Islam wal Muslimeen (JNIM), Hamas und Al-Shabaab. Der IS war im neunten Jahr in Folge für die meisten Anschläge und Todesfälle verantwortlich. Dennoch sank die Zahl der vom IS und seinen Ablegern verursachten Todesopfer um 17 Prozent auf 1.636 – den niedrigsten Wert seit 2014. Die Gruppe war 2023 in 20 Ländern aktiv, im Vergleich zu 30 Ländern im Jahr 2020.
Trotz neuerlicher Gewalt im Nahen Osten und Nordafrika (MENA) bleibt die Sahelzone das Epizentrum des Terrorismus. Im Jahr 2023 entfielen 48 Prozent aller weltweiten Terroropfer auf diese Region — ein Anstieg gegenüber 42 Prozent im Jahr 2022 und lediglich einem Prozent im Jahr 2007. In Burkina Faso, Niger, Nigeria und Kamerun stiegen die Opferzahlen jeweils um mindestens 33 Prozent. Selbst mit Rückgängen in Mali und Tschad lagen die Gesamtopferzahlen in der Sahelzone 38 Prozent höher als 2022.
Die Zahl der Länder, in denen Terroranschläge
verzeichnet wurden, stieg 2024 von 58 auf 66, und die Todesopfer durch
Terrorismus nahmen um 11 % zu. Insbesondere die Sahelzone bleibt das Epizentrum
des Terrorismus und ist für mehr als die Hälfte aller terroristischen
Todesfälle verantwortlich.
Der „Islamische Staat“ (IS) behauptet seine
Position als tödlichste Terrororganisation mit 1.805 Todesopfern im Jahr 2024,
vor allem in Syrien und der Demokratischen Republik Kongo aktiv. Der Ableger „IS-Khorasan“
(IS-K) hat sich zu einer der aktivsten Gruppen entwickelt und operiert
inzwischen in fünf Ländern, darunter Afghanistan, Pakistan, Iran und Russland.
Er nutzt moderne Technologien wie künstliche Intelligenz, verschlüsselte
Kommunikation und Kryptowährungen, um Propaganda zu verbreiten und Mittel zu
beschaffen.
Die „Tehrik-e-Taliban Pakistan“ (TTP)
verzeichnet mit einem Anstieg der ihr zugeschriebenen Todesfälle um 90 % das
schnellste Wachstum unter den Terrorgruppen. Im Westen dominieren hingegen
Anschläge von Einzeltätern, die sich häufig über soziale Medien und
verschlüsselte Apps radikalisieren. Diese Einzelkämpfer verübten in den letzten
fünf Jahren 93 % der tödlichen Angriffe, was die Sicherheitsbehörden vor neue
Herausforderungen stellt.
Die Nutzung digitaler Plattformen ermöglicht
Terrorgruppen eine globale Reichweite und erleichtert Rekrutierung sowie
Planung von Anschlägen. Gleichzeitig arbeiten Sicherheitsdienste daran, mit
Hilfe von KI und internationaler Zusammenarbeit diese Bedrohungen frühzeitig zu
erkennen und zu bekämpfen.
Der Bericht unterstreicht, dass die beste
Strategie gegen Terrorismus darin besteht, bestehende Konflikte zu beenden und
soziale Spannungen abzubauen. Die komplexe und vielschichtige Terrorlandschaft
erfordert koordinierte globale Anstrengungen, um die Sicherheit weltweit zu
gewährleisten und die Ausbreitung extremistischer Gewalt einzudämmen.
Terroranschläge erschüttern nicht nur Gesellschaften, sondern fordern auch den Staat heraus, angemessen zu reagieren. Der Wunsch nach schneller, harter Vergeltung ist verständlich — doch er birgt Gefahren. Geschichte und Gegenwart zeigen, dass militärische Gewalt allein selten zu einer dauerhaften Lösung führt. Im Gegenteil: Oft verschärft sie die Ursachen von Terrorismus und öffnet Extremisten neue Räume.
Der Terroranschlag auf eine Touristengruppe im nordindischen Pahalgam am 22. April 2025, bei dem 26 Zivilisten ihr Leben verloren, hat Indien erschüttert. In der Öffentlichkeit wuchs der Ruf nach entschlossener Vergeltung, und die Regierung reagierte mit Luftangriffen auf Ziele in Pakistan. Die militärische Eskalation brachte beide Staaten an den Rand eines Krieges, ehe eine von den USA vermittelte Waffenruhe die Lage stabilisierte. Dieses Ereignis zeigt einmal mehr: Militärische Gewalt mag kurzfristig Genugtuung verschaffen, doch sie löst nicht das zugrunde liegende Problem des Terrorismus. Im Gegenteil – sie droht, die Situation weiter zu verschärfen.
Militärische Gewalt als Scheinlösung
Terrorismus ist kein rein militärisches Problem, sondern in erster Linie ein politisches und gesellschaftliches Phänomen. Der Versuch, ihn mit Bomben und Luftschlägen auszulöschen, ist in der Geschichte immer wieder gescheitert. Ganz im Gegenteil führten militärische Aktionen oftmals dazu, dass sich diese neu organisieren, anpassen und in anderer Form wiederkehren.
Die USA starteten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den sogenannten „War on Terror“ – einen beispiellosen Militäreinsatz, der immense Ressourcen verschlang. Doch anstelle von Sicherheit folgte ein Jahrzehnt der Destabilisierung: Al-Qaida wurde nicht besiegt, sondern entwickelte sich weiter, neue Gruppen wie der „Islamische Staat“ (ISIS) entstanden, und die Taliban kehrten letztlich an die Macht zurück. Auch in Pakistan führten Operationen wie „Zarb-e-Azb“ zwar zu kurzfristigen Erfolgen gegen Terrorgruppen, doch die massiven Vertreibungen und das Leid der Zivilbevölkerung entfremdeten viele Menschen vom Staat. Heute bedrohen Gruppen wie die Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP) das Land erneut.
In Nigeria führte der militärische Kampf gegen Boko Haram zur Zersplitterung der Organisation und einer Ausweitung der Gewalt auf neue Gebiete. Frankreichs jahrelange Militärpräsenz im Sahel, trotz hoher finanzieller Investitionen, verschlechterte die Sicherheitslage und ließ die Akzeptanz der Bevölkerung für ausländische Truppen schwinden.
Nachhaltige Strategien gegen Terrorismus
Terroristische Anschläge sind bewusst darauf ausgelegt, Staaten zu einer übermäßigen Reaktion zu provozieren. Zu viel Gewalt gegen Zivilisten oder ganze Bevölkerungsgruppen stärkt am Ende genau die Kräfte, die man bekämpfen will. Entfremdung, Radikalisierung und eine schwindende Legitimation staatlicher Institutionen sind häufig die Folge. Terrorgruppen nutzen solche Situationen gezielt, um neue Anhänger zu gewinnen und ihr Narrativ von staatlicher Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu befeuern.
Erfolgreiche Terrorbekämpfung erfordert vielmehr eine umfassende Strategie, die über militärische Maßnahmen hinausgeht. Ein positives Beispiel liefert Kolumbien, wo die Regierung nach einem jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt ein Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla schloss. Begleitet von politischen Reformen, wirtschaftlicher Förderung und sozialer Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer konnte die Gewalt deutlich reduziert werden.
Auch für Indien liegt der Weg in einer klugen, vielschichtigen Strategie. Dazu gehört einerseits die gezielte Stärkung der Nachrichtendienste und der Schutz gefährdeter Regionen. Andererseits sollte Indien diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Pakistan ausüben, um die Unterstützung extremistischer Gruppen zu unterbinden. Mindestens ebenso wichtig ist die Förderung gesellschaftlicher Integration, die Schaffung von Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten und die Bekämpfung sozialer Ungleichheiten, die den Nährboden für Radikalisierung bilden.
Die Erfahrungen der internationalen Terrorbekämpfung zeigen, dass militärische Gewalt allein keine nachhaltige Lösung gegen Terrorismus bietet. Vielmehr besteht die Gefahr, bestehende Konflikte zu verschärfen und neue Radikalisierung zu fördern. Langfristige Sicherheit erfordert eine umfassende Strategie, die sicherheitspolitische Maßnahmen mit politischem Dialog, gesellschaftlicher Integration und der Bekämpfung struktureller Ursachen extremistischer Gewalt verbindet. Vor diesem Hintergrund wird Indien gut daran tun, seine künftige Terrorismusbekämpfung an diesen Erfahrungen zu orientieren und eine Eskalationsspirale zu vermeiden.
01.01.2020 | Ein Sprengsatz detonierte, als ein Fahrzeug der Frontier Corps in Mir Ali passierte. Anschließend eröffneten Angreifer das Feuer auf das Fahrzeug. Bei dem Anschlag wurde ein Polizist getötet und ein Soldat verletzt.
Keine Gruppe bekannte sich zu dem Angriff.
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